Gefahren und Abhängigkeit
Gefahren des Glücksspiels
Es ist eine sozialanthropologische Tatsache, dass, vermutlich aus den eingangs genannten Gründen, die Neigung zum Spiel dem menschlichen Wesen immanent ist. Dies gilt für einen bestimmten Anteil der Menschheit – ob erfreulich oder nicht – auch für das Glücksspiel, also das Spiel um Geld oder geldwerten Einsatz.
Die Art des Erlebens beim Glücksspielen, die individuellen und sozialen Folgeerscheinungen sowie die gesellschaftlichen Funktionen des Glücksspiels scheinen sich durch Jahrtausende wenig verändert zu haben.
So alt wie das Glücksspiel selbst sind vermutlich auch die Auseinandersetzung mit seinen potenziell negativen Folgen und die seit jeher daraus immer wieder erwachsende Kritik am Glücksspiel an sich.
Die überwältigende Mehrheit der Menschen, die gerne an Glücksspielen teilnehmen, können dies ohne jede Gefahr für ihre finanzielle, berufliche, soziale und familiäre Situation tun.
Ihnen ist bewusst, dass der Zufall und weder „höhere Mächte“, Aberglaube oder besondere persönliche Fähigkeiten entscheidend den Ausgang der einzelnen Spielakte bestimmen.
Einige wenige erleben ihre Teilnahme am Spiel anders, weil sie aus verschiedenen Gründen der Überzeugung sind, dass andere Faktoren als bloße Eintrittswahrscheinlichkeiten entscheidend wären bzw. reagiert das Belohnungssystem ihres Gehirns überdurchschnittlich stark auf den Spielanreiz und die Spannung, die sie in dem – mehr oder weniger kurzen – Zeitraum zwischen Tätigen des Einsatzes und Entscheidung über Gewinn oder Verlust empfinden.
Der Anteil der österreichischen Bevölkerung mit entweder problematischem oder pathologischem Spielverhalten liegt bei etwa 1,1 Prozent.3
Das Ausmaß des Spielsuchtpotenzials ist wesentlich von bestimmten Strukturmerkmalen des jeweiligen Spiels abhängig.
Die Analyse der Strukturmerkmale von Glücksspielen ermöglicht eine differenzierte Einschätzung hinsichtlich des Stimulations- und Gefahrenpotenzials, das jeweils von ihnen ausgeht. Für einen hohen Spielanreiz und demnach für ein hohes Gefährdungspotenzial sind in erster Linie die folgenden Kriterien ausschlaggebend:4
- eine rasche Spielabfolge (hohe Ereignisfrequenz),
- eine kurze Zeitspanne zwischen Einsatz und Spielerlebnis (kurzes Auszahlungsintervall),
- variable Einsatz- und/oder Gewinnmöglichkeiten sowie
- eine aktive Einbindung des Spielers in den Spielablauf,
- die eine Überschätzung der eigenen Einflussnahme auf
- den Spielausgang fördert und zum Weiterspielen animiert.
3GÖG, Epidemiologie des pathologischen Glücksspiels, Wien 2018, 58
4 Meyer u. Bachmann 2000
Glücksspielabhängigkeit
Im Laufe der Geschichte hat man auf unterschiedliche Weise versucht, auf diese Problematik zu reagieren, wobei man sich lange Zeit im Wesentlichen nur zwischen den beiden Extrempositionen des Verbots und der Duldung (später kombiniert mit fiskalischer Nutzung) bewegt hat.
Grund dafür war die fehlende Erkenntnis, dass Glücksspielabhängigkeit, so wie auch jede substanzgebundene Abhängigkeit, eine Erkrankung und kein Charaktermangel ist.
Der Weg zu dieser Erkenntnis war lang, da Abhängigkeitserkrankungen einem komplexen, multikausalen Bedingungsgefüge unterliegen und für Nichtbetroffene nur schwer nachzuvollziehen bzw. zu verstehen sind.
Eines der gängigsten Modelle dazu ist das später erweiterte und modifizierte, sogenannte „Suchtdreieck“ nach Kielholz und Ladewig mit der Trias „Mensch“, „Milieu“ und „Mittel“. Daher ist eine Sucht- bzw. Abhängigkeitserkrankung nie auf eine Ursache zurückzuführen, sondern auf verschiedene Faktoren aus unterschiedlichen Bereichen.5
Glücksspielabhängigkeit teilt das Schicksal aller „Süchte“, lange nicht als Krankheit (an)erkannt zu worden zu sein.
Erst 1980 verzeichnete die American Psychiatric Society und 1990 die Welt-Gesundheits-Organisation (WHO) Glücksspielabhängigkeit als „pathologisches Spielen“ zunächst unter den „Abnormen Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle“.
Einzelne Autoren sahen es auch als Verhaltensstörung oder Zwangsstörung an.
Damit wurde aber der Anstoß für zunehmendes wissenschaftliches Interesse und intensivere Beforschung auch in Europa, Ende 80er-, Anfang 90er-Jahre gegeben.
Die damals entwickelten, bildgebende Diagnoseverfahren brachten Erkenntnisse über neuro-chemische Funktionen, des sogenannten „Belohnungssystems“ im menschlichen Gehirn und zeigten grundlegende Gemeinsamkeiten aller Formen von Abhängigkeitserkrankungen, stoffgebundener oder nicht stoffgebundener Natur (Verhaltensabhängigkeiten).
Nicht nur jedes „Ding“ ist Gift, auch (fast) jede Verhaltensweise kann es sein.
(„Verhaltensabhängigkeiten“)
Zugleich wurden die Entstehung und die Phasen der Glücksspielabhängigkeit näher untersucht.